Geschichte des Zauberwürfels

Es war einmal an einem schönen Novembertag des Jahres 1955, da fiel dem damals 11jährigen Doc Errno Rubix der Klodeckel auf den Kopf, woraufhin er den Zauberwürfel erfand. Ups, da sind mir wohl zwei Geschichten, die ikonisch für die 1980er wurden (obwohl sie früher begannen), durcheinandergerutscht. 😉 Also fang ich lieber nochmal neu an, diesmal ernsthaft:

Im Sommer 1980 kam in Deutschland und anderen Ländern der Zauberwürfel auf den Markt. Er wurde DAS Symbol für die frühen 1980er Jahre. Aber seine Geschichte beginnt schon früher.

Ernő Rubik, Jahrgang 1944, ungarischer Architekt und Designer, konstruierte 1974 den ersten Zauberwürfel aus Holz. Erste Versuche mit elastischen Bändern funktionierten nicht, und so ersann er die im Prinzip noch heute übliche Konstruktion mit einem Achsenkreuz, dass die einzelnen Steine des Zauberwürfels zusammenhält, obwohl sie untereinander verschiebbar sind. Im Rekorde-Artikel habe ich ja schon etwas dazu geschrieben:

Als Ernő Rubik 1974 den Zauberwürfel erfand, hatte er zunächst gar kein mehrfarbiges Puzzle im Sinn, sondern einfach ein interessantes Objekt, das sich dadurch auszeichnete, dass seine Teile einzeln bewegt werden konnten, obwohl sie miteinander verbunden sind. Ein Objekt, an dem man gerne herumdrehen würde. Heute würden wir vielleicht sagen: Ein Fidget Spinner. Doch dann geschah etwas:

„Ich hatte herausgefunden, wie sich die Form durch Drehen zerstören und nach 90 Grad wieder in den ursprünglichen Zustand bringen ließ. Ich wusste jedoch nicht, was sich geändert hatte. Um das kenntlich zu machen, musste ich sämtliche Elemente markieren und jedem von ihnen eine Identität verschaffen.
Wie wäre es, jede Seite andersfarbig anzumalen?“ (Cubed, Ernő Rubik 2020, S. 80)

Dann begann etwas, das vermutlich die allermeisten kennen, die zum ersten Mal einen neuen Zauberwürfel drehen. Auf einmal hat man sich verirrt. Man findet den direkten Rückweg zur gelösten Position nicht mehr. Also muss man einen neuen Weg dorthin finden. Man könnte sagen: Ab da nahm der Wahnsinn seinen Lauf. Ernő Rubik begriff es noch immer nicht als ein Puzzle, sondern zunächst einfach als seine Aufgabe, das angerichtete Chaos wieder zu richten. Wie groß diese Herausforderung ohne Lösungs-Artikel und Youtube-Videos sein würde, ahnte er anfangs noch nicht. Wochenlang nahm er den Cube immer wieder in die Hand und versuchte sich an der Lösung.

„Und dann, in einem wunderbaren und denkwürdigen Moment, fügte sich alles. Am Ende hatte ich einen ganzen Monat gebraucht, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzugelangen.
Ich betrachtete den Würfel und sah, dass alle Farben dort waren, wo sie sein sollten. Was war das für ein mitreißendes Gefühl! Eine Mischung aus Erfolgsgefühl und ungeheurer Erleichterung. Und ein echtes Gefühl der Neugier: Wie würde es sein, das noch einmal zu machen?“ (Cubed, S. 97)

So weit die Entwicklungen im Frühjahr 1974. Was danach geschah, habe ich aber noch nicht hier erzählt. Ernő Rubik berichtet es auch in seinem Buch. Etwa ein halbes Jahr nach seiner Erfindung begann er, nach einer Möglichkeit zu suchen, den Cube zu produzieren und zu vermarkten. Er wandte sich an einen Patentanwalt. „Diese Patentanwälte sind keine richtigen Wissenschaftler, aber genauso pingelig“ (Cubed, S. 99).

Nachdem alle notwendigen Zeichnungen und Beschreibungen gemacht waren, ging er am 30. Januar 1975 zum ungarischen Patentamt und stellte dort den Patentantrag für sein „dreidimensionales Logikspielzeug“. Am 28. Oktober 1976 wurde das ungarische Patent für den Cube veröffentlicht und ins Patentregister eingetragen (Cubed, S. 101). Keine Ahnung, ob es die übliche Trägheit der Amtsstube war, oder ob die dort über 1,5 Jahre an einem Prototypen herumgedreht haben. 😉

Vermutlich schon vor dem Beginn des Patentschutzes begann aber die Suche nach einem ungarischen Produktionsbetrieb, der den Zauberwürfel herstellen konnte und wollte. Ergebnis war dann ab 1977 der Büvös Kocka von Politechnika, der erste seriengefertigte Zauberwürfel.

Mein Exemplar rechts ist von 1978 oder 1979, also älter als alle in Deutschland offiziell verkauften Zauberwürfel.

Ab dem 2. Juni 1980 wurde der Zauberwürfel dann in Westdeutschland verkauft. Nun hatte er auch den Namen „Rubik’s Cube“ erhalten. Wenn es das Original war, dann steckte er gewöhnlich in einer solchen transparenten Box, wie man sie auf dem Foto rechts sieht.

Erstaunlicherweise war der Zauberwürfel nicht das erste dreidimensionale Drehpuzzle, das je erfunden wurde. Bereits 1970 hat Uwe Mèffert (Jahrgang 1939) den Pyraminx ersonnen. Dieses Puzzle, in den 1980ern meist Zauberpyramide bzw. magische Pyramide genannt, ist quasi die dreieckige Version des Zauberwürfels. Der Mechanismus mit einem drehbaren Achsenkreuz ist ziemlich ähnlich.

Jedoch ist der Pyraminx deutlich einfacher zu lösen als der Zauberwürfel. Während es beim Zauberwürfel 20 Steine gibt, die sich untereinander vertauschen können (8 Ecken plus 12 Kanten; die 6 Centersteine sind ja nur an ihrem Platz drehbar), gibt es beim Pyraminx nur 6 Kantensteine (zweifarbig), die untereinander vertauschbar sind. Die (dreifarbigen) Spitzen haben ohnehin nur Deko-Funktion. Aber auch die darunter befindlichen (ebenfalls dreifarbigen) Steine drehen sich nur an ihrem eigenen Platz. Natürlich muss dies bei der Lösung berücksichtigt werden, denn sie sind ja dreifarbig.

Der Pyraminx wurde aber erst mit der Erfolgsgeschichte des Zauberwürfels marktreif entwickelt. Heute ist auch der Pyraminx offizielles Puzzle bei vielen Speedcubing-Competitions der World Cube Association WCA.

Schon bald nach Veröffentlichung des Rubik’s Cube wurde auch der Rubik’s Pocket Cube auf den Markt gebracht, mit 2x2x2 Feldern quasi der kleine Bruder des regulären Zauberwürfels. Rechts zwei neuere Exemplare, wie man an dem Rubik’s Logo mit Web-Adresse unzweifelhaft erkennen kann.

Die meisten 2x2x2 tragen intern die gleiche Mechanik wie auch die 3x3x3 Zauberwürfel. Sie sind quasi ein Zauberwürfel mit außen abgerundeten Kantensteinen und dafür vergrößterten Ecken, die die Kantensteine zu einem Leben in der Finsternis verdonnern.

Interessant ist, dass es für den Rubik’s Pocket Cube aber auch einen Vorgänger gab. Larry D. Nichols (wie Meffert Jahrgang 1939, also 5 Jahre älter als Rubik) ersann bereits 1957, also 17 Jahre vor Ernő Rubik, den 2x2x2 „Nichol’s Cube„. 1968 gab es einen funktionierenden Prototypen, und das US-Patent für seinen Würfel erhielt Nichols im Jahr 1972, also noch bevor Rubiks in Ungarn seine Erfindung machte. Nichols Patent bezog sich zwar auf einen 2x2x2-Cube, aber erwähnte auch die Möglichkeit größerer Versionen.

Nichols hatte allerdings keinen Mechanismus wie Mèffert und Rubik entwickelt, also mit Achsenkreuz und sich dazwischen festhaltenden Kantensteinen, etc. Sondern Nichol’s Cube hielt durch Magnete zusammen. Ein Konzept, das in der Neuzeit, insbesondere aufgrund der neuen Möglichkeiten durch starke Neodym-Magnete, wieder einen Weg in die Zauberwürfel-Konstruktion gefunden hat.

Zum Einen haben moderne Speedcubes (trotz des Achsenkreuzes) größtenteils Magneten, die für ein leichtes Einrasten an der richtigen Stelle der Drehung sorgen, sowie dem Zauberwürfel zusätzliche Stabilität geben. Des weiteren gibt es aber auch Sonderkonstruktionen wie z.B. den Magnetic Rubik’s Dice Cube, also einen Zauberwürfel aus Spielewürfeln, wie man sie von Brettspielen kennt. Kann man selber machen, aber auch kaufen, und dreht sich ganz ordentlich.

Doch zurück zur Geschichte des Zauberwürfels. Man kann davon ausgehen, dass die drei Pioniere Nichols, Mèffert und Rubik zur damaligen Zeit, also vor 1977, nicht voneinander wussten. Sie lebten in einer Zeit ohne Internet auf verschiedenen Kontinenten, und so etwas wie der Nederlandse Kubus Club, in dem ab 1981 Drehpuzzle-Fans zueinander fanden, gab es ja noch nicht. So gebührt allen Dreien Respekt und Anerkennung für ihre Erfindungen.

Nach wenigen Jahren des Würfelfiebers kehrte aber in der öffentlichen Wahrnehmung des Zauberwürfels wieder weitgehend Ruhe ein, bis sich rund um die Jahrtausendwende einige Cubing-Begeisterte zusammenfanden und Pläne entstanden, wieder mal – wie schon 1982 – eine Weltmeisterschaft zu organisieren. Dazu kam es dann auch, der Begriff „Speedcubing“ wurde erfunden und die WCA gegründet. Von dieser Entwicklung erzählt der nächste Artikel in dieser Serie über Wissenswertes rund um den Zauberwürfel.

Zusammenfassung:

  • Im Jahr 1974 erfand Ernő Rubik den Zauberwürfel. 1976 erhielt er das Patent und ab 1977 wurde er als Büvös Kocka (Magischer Würfel) in Ungarn produziert.
  • Ab 1980 wurde der Würfel als Rubik’s Cube international vermarktet und es gab ihn auch in Deutschland zu kaufen.
  • Ein verwandtes Drehpuzzle in Form einer Dreieckspyramide wurde als Zauberpyramide bereits 1970 von Uwe Mèffert erfunden und kam dann quasi im Windschatten des Zauberwürfels ebenfalls auf den Markt.
  • Bereits 1957, also lange vor dem 3x3x3 Zauberwürfel ersann Larry D. Nichols einen drehbaren 2x2x2 namens Nichol’s Cube, der allerdings durch Magneten zusammenhielt. Aber auch der 2x2x2 wurde erst durch den Erfolg des Zauberwürfels einem größeren Publikum bekannt als Rubik’s Pocket Cube.

 

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2 Antworten zu Geschichte des Zauberwürfels

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  2. Hans-Jürgen sagt:

    Ich bin schon gespannt auf die Geschichte des Speedcubings.

    Als kleine Randnotiz zur Historie: Der „Bűvös Kocka“ (mit langem ű und kurzem ö) spricht sich in unserer Schreibweise in etwa „Büüwösch Kotz’ka“ (Ungarisches „s“ und Slavisches „c-k“). Übersetzt eigentlich magischer Würfel, hierzulande hat sich dann aber lange Zeit schlecht übersetzt „Zauberwürfel“ im Sprachgebrauch gehalten.
    Viele beschimpfen uns Deutsche auch, weil wir den Namen „Rubik“ aus dem Namen genommen hätten, bzw. die Urheberschaft verleugnen würden, aber der Name Rubik war somit im Original nie drin. In Ungarn nennt man das Dingens aber inzwischen auch „Rubik-Kocka“, und teilweise ist dort „Bűvös Kocka“ schon nicht mehr bekannt.

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